Die Musikerin Joy Denalane ist mit ihren Sneakern viele Kilometer gelaufen. Jetzt hat sie das Gefühl, ihre alten Adidas seien “reif fürs Recycling oder die Altkleidersammlung.” Wir haben andere Pläne mit den Schuhen…
Um Joy Denalanes alte Adidas sollte sich auch Adidas kümmern, dachten wir. Also bringen wir die Sneaker in den Hamburger Store, um sie dort zurückzugeben. Nach Nachhaltigkeit sieht es da zwar schon aus – in der Auslage stehen etwa Sneaker, die aus Meeresplastik gefertigt wurden – aber eine Recycling-Box sehen wir nicht. Eine Mitarbeiterin sagt uns, dass Adidas auch überhaupt keine habe. Wie kann es sein, dass der zweitgrößte Schuhhersteller der Welt sich nicht um seine alten Schuhe kümmert?
Wir schauen nochmal auf die Website von Adidas. Hier heißt es, dass Adidas “Produkte am Ende ihres Lebenszyklus nicht mehr als Abfall, sondern vielmehr auch als wertvolle Ressource” ansehen will. Man hätte deshalb ein Rücknahmeprogramm ins Leben gerufen, bei dem man gebrauchte Produkte im Store zurückgeben kann. Hä? Sind die Informationen veraltet? Oder waren wir nur im falschen Geschäft?
Wir rufen den Kundenservice von Adidas an. Auch hier kann man uns nicht weiterhelfen. Wir sollen noch einmal per WhatsApp schreiben. Doch offensichtlich weiß der Mitarbeiter dort auch nichts von dem Rücknahmeprogramm, das Adidas auf seiner Website bewirbt. „Diese Möglichkeit haben wir nicht in unseren Systemen.“ Irgendwie ist es schwieriger als gedacht, die Schuhe dem Konzern zurückzugeben, der sie produziert hat. Später finden wir heraus, dass Adidas 2016 tatsächlich für kurze Zeit ein Rücknahmeprogramm hatte. Es war aber nur ein Pilotprojekt, das der Konzern nicht fortgeführt hat.
Adidas will die Sneaker von Joy Denalane nicht zurücknehmen, denn der Konzern bietet kein Recycling ein. Der fiktive Adidas-Kunde Sebastian Köhler sieht den Konzern trotzdem in der Verantwortung, sich um seine alten Schuhe zu kümmern. Also schreiben wir unter dem Pseudonym einen Brief an Adidas mit der Bitte, die Sneaker zu recyceln und senden ihn direkt an die Konzernzentrale nach Bayern – gemeinsam mit Joys Schuhen.
Joy Denalane ist bei Adidas angekommen. In der bayerischen Kleinstadt Herzogenaurach hat der Konzern seinen Firmensitz. Unser Schuh ist allerdings nicht direkt dort gelandet, sondern rund 50 Kilometer weiter westlich in Uffenheim. Hier hat Adidas ein Zentrallager und eine Versandzentrale. Geht es von hier weiter zum Recycling?
Wir bekommen alle paar Tage einen Bewegungsalarm von den Schuhen. Doch das Lager verlassen sie nicht. Scheint fast, als ob ab und an jemand den Karton öffnet, den Brief liest – und damit nix zu tun haben will. Dass die Schuhe möglichst nachhaltig entsorgt werden, so wie sich das unser Pseudonym Sebastian Köhler von Adidas wünschte, können wir bislang nicht beobachten.
Nach knapp drei Monaten bekommen wir das letzte Signal aus dem Lager. Dann ist der Akku alle. Später fragen wir Adidas, was sie mit den Schuhen gemacht haben. Der Konzern antwortet, man habe unsere Schuhe “wie gewünscht fachgerecht verwertet”. Ob das stimmt, können wir nicht überprüfen. “Nachhaltigkeit”, so der Konzern weiter, sei “ein zentraler Bestandteil der Unternehmensphilosophie”. In den USA habe man sogar ein eigenes Rücknahmeprogramm entwickelt. Ob und wann das nach Deutschland kommt, sagt Adidas nicht. Im Artikel liest Du, warum große Hersteller wie Adidas eigentlich mehr Verantwortung übernehmen müssen.
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